Gedichte aus Glas

immer wieder NEU 


Am Ende

 

Ich sah den Horizont,

die Front der Schöpfung,

sah Licht und Schatten fließen,

und alle trüben Dinge ließen

bedingungslos mein Sinnen frei.

 

Ich ging am Fluss der Zeit vorbei.

 

 

18
JUN
2025

Menschliches Allzumenschliches

Eine Geschichte über Recht und Unrecht in unserer schönen, neuen Welt und eine Gelegenheit, als Newcomerin im Krimi-Genre Fuß zu fassen.

NEW CRIMES 1 - 
1. Anthologie zum Fine Crime Festival

mit Geschichten von Julia Fürbaß, Tatjana Gregoritsch, Margot Mühlfellner, Fabian Navarro, Nicole Stranzl, Gudrun Wieser und Rudi Zötsch

Text- und Hörprobe mit Visualisierung des Fotokünstlers Niki Schreinlechner

Der Schweiß läuft sein Rückgrat nach unten und bahnt sich einen Weg in seine Arschritze. Hier hinten ist das Ende des Gangs, der Weg nach draußen. Der Mörder ... Mörder-in ... Wie seltsam, jetzt, da er die Gestalt unmittelbar vor sich hat, und diese sich ganz und gar unter schwarzem Tuch versteckt, könnte er schwören, dass es sich dabei um einen Mann handelt. 

Sie oder er muss auf jeden Fall an ihm vorbei. Und wenn er im Recht ist, muss es sich um eine Frau handeln. Er hatte die Handschrift wiedererkannt: 5 Schüsse in die Brust. So, wie es ihm der Kollege vom Bundesamt über die Todesursache bei der Tochter geflüstert hatte. Damals, als Mutter und Kind abgeschoben wurden, hätte er sich am Liebsten in eine Polizeiarbeit eingemischt, die ihn nichts angeht. Er gehört zur Kripo. Die gehörten zu den Typen, die dafür zuständig sind, Leute abzuschieben. Und der Tote aus dem dritten Stock hat in besagtem Fall mit aller Wahrscheinlich das entscheidende Urteil gefällt. 

Jetzt ist sie also hier. Die Liebe der Mutter zum Kind hat sie zurückkehren lassen. Alles kommt zurück, wenn die Waage kippt. Auch das Abgeschobene. 

Ist das so? Ist der Tod des Richters das Äutzerl, das die Ausgewogenheit wieder herstellt? Und wenn ja, müsste das Recht dann nicht eigentlich auf ihrer Seite sein? Keinem Menschen sollte es abgesprochen werden, sich den Boden, auf dem er leben möchte, selbst auszusuchen, und noch weniger, von jenem Stück Land zu fliehen, in dem ihm Unterdrückung, Misshandlung, der Tod drohen. 

Mit einem Mal tiefenentspannt beobachtet er den Tanz des Schattens, den die Gestalt durch den Gang schickt. Dann stiehlt sich ein verdächtiges Schnippen an sein Ohr, und das Licht erlischt. 

Scheiße. 

„So kann man es auch ausdrücken“, flüstert eine Stimme, die tief aus seinem Inneren dringt. Sie meldet sich immer dann zu Wort, wenn er das Gefühl hat, die Kontrolle zu verlieren. 

Woher zur Hölle weiß sie ...

„Ah, das ist eine gute Frage“, antwortet die Stimme. 

Und die Antwort?

Ist einfach. Du warst zu laut. Aber das wird einen fabelhaften Inspektor wie dich doch nicht aus der Ruhe bringen.“

Ein gedämpftes Schleifen wie von Metall auf Leder ... 

Schlagstock oder Pistole? Letzteres ist naheliegend. Immerhin hat sie gerade fünf Kugeln in einen Menschen gejagt. Sie hat also ihre Schusswaffe gezogen. Und zwar schnell. Viel zu schnell für eine Frau, die als Putzkraft gearbeitet hat, als ihr noch ein halbwegs normales Leben gehörte. 

Ein Geräusch von Links, und er reißt die Glock hoch. Au! 

Richtig, das Fenster hat Flügel. Und die stehen nach innen, nicht nach außen, du Idiot. 

„Lass mich raten ...“ Diesmal gehört die Stimme der fremden Gestalt. Sie kommt von der anderen Seite des Gangs und er wirbelt herum. 

„Ein Polizist.“ Es ist eine Frauenstimme. Keinerlei Akzent. „Etwa Kripo? Dann waren Sie schnell. Und Sie sind hier, um mich zur Rechenschaft zu ziehen und sich zurückzuholen, was ihr eurer westlichen Meinung nach zu Recht besitzt: Das Recht, über Leben und Tod anderer zu entscheiden, die euch nicht in eurer Rechtssystem passen. Zu Ungunsten aller nicht Einheimischen, versteht sich, und unter dem Deckmantel des Selbstschutzes ...“

Volltreffer. Aber er war nicht in Stimmung, der Konkurrenz die Hand zu schütteln.

„Tja, so läuft das eben.“

„Ja, so läuft das. Aber das spielt für Sie keine Rolle mehr.“

Wieso? 

„Weil Sie in weniger als einer Minute erledigt sind.“
 

 

24
DEZ
2024

Erinnere dich 
 
LICHTUNGEN - Literatur und Kunstzeitschrift 
Ausgabe 180 - Warum Krimi?

Kein Krimi, sondern eine Geschichte, die mir das Leben schrieb

Textprobe

Es ist noch nicht hell. Von draußen kriecht eine fahle Lichtspur bis hierher. Hierher, das ist neben meinem Bett. Das Licht ist so wie immer – nicht so kalt und hell, wie es sein könnte, nicht so warm und dumpf, wie es wäre, wäre es ein Zuhause-Licht. Es ist ein Dazwischen-Licht. Es ist eine Dazwischen-Station ... Aber genau genommen weiß ich ja gar nicht, wo ich bin – wo ich tatsächlich bin. In Wirklichkeit, verstehen Sie?

Immerhin sehe ich ein Licht. Aber das ist es ja gerade! Ich weiß nicht, wo der Traum beginnt und wo das Draußen – das Jenseits-meines-Kopfraums-Draußen. Das Andere hinter dem Horizont. Das  Ferne dort hinter den Grenzens meines Traums. Das Grenzenlose hinter dem Wald meiner Kindheit, wo die Wiesen und Felder beginnen und der Blick endlos dahingleitet. Dort hinten, wo das Morgen beginnt und das Heutenacht endet ... 
 

 

2021

Das Mädchen und der Drache

Anthologie WIR SIND DIE BUNTEN

Ein Märchen für das Festival Mediaval 

 

Textprobe

Menschen sind wie Kreisel. Sie fangen sich erst zu bewegen an, wenn du ihnen einen Stoß versetzt. Und dann drehen sie sich um sich selbst. So lange, bis ihnen die Luft ausgeht und sie umkippen. 

Teri Vech wusste das besser als jeder andere. Immerhin studierte er das Menschengeschlecht schon seit Jahrhunderten. Er spielte seine Spielchen, beschwor ganze Kriege herauf. Und dafür musste er nicht einmal aus der Deckung kommen. 

Es braucht keinen Drachen, um Menschen zu den Waffen greifen zu lassen. 

Nur, dieser Mensch hier war anders. Das Püppchen mit Porzellangesichtchen und schwarzem Seidenhaar, das vor wenigen Augenblicken die Steintreppen hochgestiegen war und durch die vor sich hin rostenden Tore das Kriegerdenkmal - sein Kriegerdenkmal - betreten hatte, sah ihn an, als wäre er nichts weiter als ein netter kleiner Zeitvertreib. ErTeri Vech, Herr der Zwietracht, ehemals General der schwarzen Drachen und ... na ja, ein Ausgestoßener. Aber nichtsdestotrotz furchteinflößend, mit einer Flügelspannweite von atemberaubenden zehn Schritt. Das war Teri Vech. Und vor Teri hatte jeder Angst.

„Nein“, sagte der kleine Mund und die dunklen Wimpern klimperten.

Teri kniff ein Auge zusammen. „Nein?“

„Ich werde nicht gehen.“

Ein Gong ertönte und hallte von den feuchten Steinwänden des Denkmals wieder. Einst war dieser Stein sauber und solide gewesen. Jetzt, von Moos überwuchert und durch Kletterpflanzen in arge Bedrängnis geraten, bröckelte und zerfiel er langsam. Sträucher und Bäume hatten das Denkmal derart überwuchert, dass es mehr einer Höhle, als einem steinernen Ring glich. Früher waren hier Massen von Menschen in geistloser Festivalstimmung vorübergezogen. Teri spürte es fast - das ironische Lachen, das ihm in der Brust saß, aber nicht nach draußen wollte. Ja, sie feierten. Feierten Wesen wie ihn in einer Zeit, die so unmenschlich war, dass selbst ein Drache Mitleid hätte bekommen können. Eine zum Himmel schreiende Lüge ... Der Epoche des Mittelalters so etwas wie Romantik anzudichten, könnte man fast als „lebensverachtend“ bezeichnen. Aber genauso war das Menschengeschlecht: Es verherrlichte, was es verloren glaubte, zerstörte, was es hatte, träumte von dem, was es nie haben würde. 

Ein zweiter Gong ertönte. Dann setzte ein Surren, Ticken und Tingeln wie von hunderten Uhrwerken ein, und das Mädchen hielt sich die Ohren zu ...
 

 

2019

Kommen Sie rein

storyapp.de des MÜNCHNER KURZGESCHICHTENWETTBEWERBS

Eine Geschichte vom Verloren-Sein

Textprobe

... Dabei ist die Wahrheit das einzige Ideal, das sich verwirklichen ließe. Kein Weltfrieden, kein Stopp für einen Klimawandel mit katastrophalen Folgen, nichts, wofür wir tagaus tagein kämpfen kann mit dem Realitätsgehalt der Wahrheit mithalten. 

Leider ist die Wahrheit out. Im Sinne der Wahrhaftigkeit ist sie schlicht ausgestorben. Wer will schon wahrhaftig sein, wenn er schneller, stärker, reicher oder doch zumindest erfolgreicher sein kann? Soviel hat man uns beigebracht. „Sei ausdauernder als der Rest.“ Sonst gehst du unter. „Iss gesünder, feiere fröhlicher, sei glücklicher, poste bunter!“ Sonst wirst du nicht gesehen. Und schon gar nicht geliebt. 

Die Wahrheit ist zu einem Privatvergnügen geworden. Es gibt sie nur noch im Verborgenen, dort, wo wir mit uns selbst alleine sind. Leider kann uns nichts davon abhalten, die Oberfläche zu bürsten, die wir als Hingucker bereithalten. G’schneizt, gekampelt und zurecht gemacht gefallen wir und wollen gefallen. Wir sind, was wir verkaufen. Das Produkt versteckt sich hinter dem Marketing, wie das Gesicht hinter seiner Maske. Damit lässt es sich gut leben. Auslage vor Ware! Verpackung vor Inhalt! Kleidung machen Leute! Pitchbar machen, was unpackbar ist, mit anderen Worten unbequem. Wir haben’s eben gerne bequem, schön, spannend und möglichst in drei Worten. Für alles andere ist keine Zeit. Je kürzer das Buch, desto fesselnder das Lesen. Je lauter das Lied, desto intensiver das Zuhören. Je schneller das Video, desto unterhaltsamer der Inhalt. Je einfacher die Botschaft, umso effizienter die Wirkung. Mach keinen verbalen Aufstand, ein Emo tut’s auch! Smile while you can! Manno, anno, fuck ... LOL, OMG und Amen.

Das ist mein Stichwort ..."
 

 

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