Gedichte aus Glas

immer wieder neu

Der Narr

Dass er sitzt und schweigt,

bleibt unverstanden,

denn zeigt sich seine Fantasie

ist’s Poesie.

 

Dass er zur Selbstverleugnung neigt,

erweist und jene Travestie – 

das Verschwinden hinter Tand,

hinter Masken, die der Schande

wahren Selbstseins Deckung bieten.

 

Sollte diese äuß’re Hülle

und das einstudierte Meiden

inn’rem Hadern schuldig sein,

einer Pein, die Masken braucht, 

würde mancher mit ihm leiden. 

 

Doch die einstudierten Gesten,

die sein Handeln blendend machen - 

Sachtes Flüstern, leises Lachen - 

werden stets es ihm verleiden,

sich im rechten Licht zu zeigen.

 

Weil er zur Selbstverleugnung neigt,

trifft stetig er auf Widerstand,

und nie empfand man Sympathie

beim Anblick jener Travestie.

 

Er sitzt und schweigt 

und ist vorhanden,

und zeigt sich seine Fantasy

ist’s Poesie.

24
DEZ
2024

Erinnere dich 
 
LICHTUNGEN - Literatur und Kunstzeitschrift 
Ausgabe 180 - Warum Krimi?

Kein Krimi, sondern eine Geschichte, die mir das Leben schrieb

Textprobe

Es ist noch nicht hell. Von draußen kriecht eine fahle Lichtspur bis hierher. Hierher, das ist neben meinem Bett. Das Licht ist so wie immer – nicht so kalt und hell, wie es sein könnte, nicht so warm und dumpf, wie es wäre, wäre es ein Zuhause-Licht. Es ist ein Dazwischen-Licht. Es ist eine Dazwischen-Station ... Aber genau genommen weiß ich ja gar nicht, wo ich bin – wo ich tatsächlich bin. In Wirklichkeit, verstehen Sie?

Immerhin sehe ich ein Licht. Aber das ist es ja gerade! Ich weiß nicht, wo der Traum beginnt und wo das Draußen – das Jenseits-meines-Kopfraums-Draußen. Das Andere hinter dem Horizont. Das  Ferne dort hinter den Grenzens meines Traums. Das Grenzenlose hinter dem Wald meiner Kindheit, wo die Wiesen und Felder beginnen und der Blick endlos dahingleitet. Dort hinten, wo das Morgen beginnt und das Heutenacht endet ... 
 

 

2021

Das Mädchen und der Drache

Anthologie WIR SIND DIE BUNTEN

Ein Märchen für das Festival Mediaval 

 

Textprobe

Menschen sind wie Kreisel. Sie fangen sich erst zu bewegen an, wenn du ihnen einen Stoß versetzt. Und dann drehen sie sich um sich selbst. So lange, bis ihnen die Luft ausgeht und sie umkippen. 

Teri Vech wusste das besser als jeder andere. Immerhin studierte er das Menschengeschlecht schon seit Jahrhunderten. Er spielte seine Spielchen, beschwor ganze Kriege herauf. Und dafür musste er nicht einmal aus der Deckung kommen. 

Es braucht keinen Drachen, um Menschen zu den Waffen greifen zu lassen. 

Nur, dieser Mensch hier war anders. Das Püppchen mit Porzellangesichtchen und schwarzem Seidenhaar, das vor wenigen Augenblicken die Steintreppen hochgestiegen war und durch die vor sich hin rostenden Tore das Kriegerdenkmal - sein Kriegerdenkmal - betreten hatte, sah ihn an, als wäre er nichts weiter als ein netter kleiner Zeitvertreib. ErTeri Vech, Herr der Zwietracht, ehemals General der schwarzen Drachen und ... na ja, ein Ausgestoßener. Aber nichtsdestotrotz furchteinflößend, mit einer Flügelspannweite von atemberaubenden zehn Schritt. Das war Teri Vech. Und vor Teri hatte jeder Angst.

„Nein“, sagte der kleine Mund und die dunklen Wimpern klimperten.

Teri kniff ein Auge zusammen. „Nein?“

„Ich werde nicht gehen.“

Ein Gong ertönte und hallte von den feuchten Steinwänden des Denkmals wieder. Einst war dieser Stein sauber und solide gewesen. Jetzt, von Moos überwuchert und durch Kletterpflanzen in arge Bedrängnis geraten, bröckelte und zerfiel er langsam. Sträucher und Bäume hatten das Denkmal derart überwuchert, dass es mehr einer Höhle, als einem steinernen Ring glich. Früher waren hier Massen von Menschen in geistloser Festivalstimmung vorübergezogen. Teri spürte es fast - das ironische Lachen, das ihm in der Brust saß, aber nicht nach draußen wollte. Ja, sie feierten. Feierten Wesen wie ihn in einer Zeit, die so unmenschlich war, dass selbst ein Drache Mitleid hätte bekommen können. Eine zum Himmel schreiende Lüge ... Der Epoche des Mittelalters so etwas wie Romantik anzudichten, könnte man fast als „lebensverachtend“ bezeichnen. Aber genauso war das Menschengeschlecht: Es verherrlichte, was es verloren glaubte, zerstörte, was es hatte, träumte von dem, was es nie haben würde. 

Ein zweiter Gong ertönte. Dann setzte ein Surren, Ticken und Tingeln wie von hunderten Uhrwerken ein, und das Mädchen hielt sich die Ohren zu ...
 

 

2019

Kommen Sie rein

storyapp.de des MÜNCHNER KURZGESCHICHTENWETTBEWERBS

Eine Geschichte vom Verloren-Sein

Textprobe

... Dabei ist die Wahrheit das einzige Ideal, das sich verwirklichen ließe. Kein Weltfrieden, kein Stopp für einen Klimawandel mit katastrophalen Folgen, nichts, wofür wir tagaus tagein kämpfen kann mit dem Realitätsgehalt der Wahrheit mithalten. 

Leider ist die Wahrheit out. Im Sinne der Wahrhaftigkeit ist sie schlicht ausgestorben. Wer will schon wahrhaftig sein, wenn er schneller, stärker, reicher oder doch zumindest erfolgreicher sein kann? Soviel hat man uns beigebracht. „Sei ausdauernder als der Rest.“ Sonst gehst du unter. „Iss gesünder, feiere fröhlicher, sei glücklicher, poste bunter!“ Sonst wirst du nicht gesehen. Und schon gar nicht geliebt. 

Die Wahrheit ist zu einem Privatvergnügen geworden. Es gibt sie nur noch im Verborgenen, dort, wo wir mit uns selbst alleine sind. Leider kann uns nichts davon abhalten, die Oberfläche zu bürsten, die wir als Hingucker bereithalten. G’schneizt, gekampelt und zurecht gemacht gefallen wir und wollen gefallen. Wir sind, was wir verkaufen. Das Produkt versteckt sich hinter dem Marketing, wie das Gesicht hinter seiner Maske. Damit lässt es sich gut leben. Auslage vor Ware! Verpackung vor Inhalt! Kleidung machen Leute! Pitchbar machen, was unpackbar ist, mit anderen Worten unbequem. Wir haben’s eben gerne bequem, schön, spannend und möglichst in drei Worten. Für alles andere ist keine Zeit. Je kürzer das Buch, desto fesselnder das Lesen. Je lauter das Lied, desto intensiver das Zuhören. Je schneller das Video, desto unterhaltsamer der Inhalt. Je einfacher die Botschaft, umso effizienter die Wirkung. Mach keinen verbalen Aufstand, ein Emo tut’s auch! Smile while you can! Manno, anno, fuck ... LOL, OMG und Amen.

Das ist mein Stichwort ..."
 

 

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