Ein Tanz

 "Gedichte aus Glas"

Wohlan, der Tanz auf dünnstem Eis
nimmt alles Zweifeln mit,
und lächelnd untergräbt er den Verweis
auf die Gefahr von brüch’gem Grund,
verbirgt geflissentlich den Schlund,
der unter kalten Füßen dräut
gibt leises Zutun eurem Bund
und tanzt euch in Vergessenheit.
 

Wie zauberhaft ist dieses Bild,
so voller Reiz des Bildes Rahmen,
die Zweisamkeit, die ohne Namen
dir willig eine Sehnsucht stillt.

Gleitest tänzelnd, leicht darnieder,
windest dich in ihren Armen,
findest dich in diesem warmen
Schoß gefälschter Freiheit wieder.

Du darfst nur Liebe walten lassen,
sollst sie fangen, willst sie fassen,
sollst nie wankelmütig sein,
deine Liebe sollte rein
ihren Bildern von dir dienen,
werft in dieses Bildes Inhalt,
alles, was ihr wollt hinein.

Wie unumgänglich – so verfänglich,
bleibt von Anfang an vergänglich,
unbeständig, ein unendliches Verhängnis
deine Flucht aus der Bedrängnis.

Kannst nicht gehen auf Asphalt,
willst nur gleiten, willst dich recken,
suchst nicht nach dem einen Halt,
der dir gleichsam mit Gewalt
Grenzen steckt, hast dich gestreckt
und suchst längst nach neuen Weiten.

 

Ist die Ursach’ Eitelkeit?
Solltest du dies alles meiden?
Alles, was da in dir schreit
könnte and’ren Ursprungs sein
als das schlicht gemeinte Weinen
nach der einen Zweisamkeit.


Denn das Eis lässt dich zwar tanzen,
doch die Mauer dort bleibt stehen,
wehe, wenn du dich nicht findest,
deine Angst nicht überwindest,
könntest in die Irre gehen.
Jede Lüge findet Lügen,
jedes Leugnen führt zum Fall,
jedes sich zum Gott verbiegen,
bringt des Teufels Widerhall.

Und das Eis liegt euch zu Füßen,
hast du deshalb überlegt,
ob ein hemmungslos Versüßen
ohne Wurzeln Früchte trägt?
Weißt von der Zerbrechlichkeit
und davon, dass Schönheit blendet,
dass der Tanz, der dich erfreut
leider auch das Selbst entfremdet.

Nur, du willst das Weibe drehen,
hockst in Nischen zwischen Steinen,
einst das Ihre mit dem Deinen,
meinst es glänzend zu verstehen.
S’ist so reizvoll, sie zu sichten,
sie zum Tanze abzurichten,
ihre Welt für sie zu dichten,
und mit Gittern zu versehen.

Und das Eis liegt euch zu Füßen,
wirst es besser ignorieren,
wirst es schlichtweg besser wissen
und dich selbst aufs Glatteis führen.

 

24
DEZ
2024

Erinnere dich 
 
LICHTUNGEN - Literatur und Kunstzeitschrift 
Ausgabe 180 - Warum Krimi?

Kein Krimi, sondern eine Geschichte, die mir das Leben schrieb

Textprobe

Es ist noch nicht hell. Von draußen kriecht eine fahle Lichtspur bis hierher. Hierher, das ist neben meinem Bett. Das Licht ist so wie immer – nicht so kalt und hell, wie es sein könnte, nicht so warm und dumpf, wie es wäre, wäre es ein Zuhause-Licht. Es ist ein Dazwischen-Licht. Es ist eine Dazwischen-Station ... Aber genau genommen weiß ich ja gar nicht, wo ich bin – wo ich tatsächlich bin. In Wirklichkeit, verstehen Sie?

Immerhin sehe ich ein Licht. Aber das ist es ja gerade! Ich weiß nicht, wo der Traum beginnt und wo das Draußen – das Jenseits-meines-Kopfraums-Draußen. Das Andere hinter dem Horizont. Das  Ferne dort hinter den Grenzens meines Traums. Das Grenzenlose hinter dem Wald meiner Kindheit, wo die Wiesen und Felder beginnen und der Blick endlos dahingleitet. Dort hinten, wo das Morgen beginnt und das Heutenacht endet ... 
 

 

2021

Das Mädchen und der Drache

Anthologie WIR SIND DIE BUNTEN

Ein Märchen für das Festival Mediaval 

 

Textprobe

Menschen sind wie Kreisel. Sie fangen sich erst zu bewegen an, wenn du ihnen einen Stoß versetzt. Und dann drehen sie sich um sich selbst. So lange, bis ihnen die Luft ausgeht und sie umkippen. 

Teri Vech wusste das besser als jeder andere. Immerhin studierte er das Menschengeschlecht schon seit Jahrhunderten. Er spielte seine Spielchen, beschwor ganze Kriege herauf. Und dafür musste er nicht einmal aus der Deckung kommen. 

Es braucht keinen Drachen, um Menschen zu den Waffen greifen zu lassen. 

Nur, dieser Mensch hier war anders. Das Püppchen mit Porzellangesichtchen und schwarzem Seidenhaar, das vor wenigen Augenblicken die Steintreppen hochgestiegen war und durch die vor sich hin rostenden Tore das Kriegerdenkmal - sein Kriegerdenkmal - betreten hatte, sah ihn an, als wäre er nichts weiter als ein netter kleiner Zeitvertreib. ErTeri Vech, Herr der Zwietracht, ehemals General der schwarzen Drachen und ... na ja, ein Ausgestoßener. Aber nichtsdestotrotz furchteinflößend, mit einer Flügelspannweite von atemberaubenden zehn Schritt. Das war Teri Vech. Und vor Teri hatte jeder Angst.

„Nein“, sagte der kleine Mund und die dunklen Wimpern klimperten.

Teri kniff ein Auge zusammen. „Nein?“

„Ich werde nicht gehen.“

Ein Gong ertönte und hallte von den feuchten Steinwänden des Denkmals wieder. Einst war dieser Stein sauber und solide gewesen. Jetzt, von Moos überwuchert und durch Kletterpflanzen in arge Bedrängnis geraten, bröckelte und zerfiel er langsam. Sträucher und Bäume hatten das Denkmal derart überwuchert, dass es mehr einer Höhle, als einem steinernen Ring glich. Früher waren hier Massen von Menschen in geistloser Festivalstimmung vorübergezogen. Teri spürte es fast - das ironische Lachen, das ihm in der Brust saß, aber nicht nach draußen wollte. Ja, sie feierten. Feierten Wesen wie ihn in einer Zeit, die so unmenschlich war, dass selbst ein Drache Mitleid hätte bekommen können. Eine zum Himmel schreiende Lüge ... Der Epoche des Mittelalters so etwas wie Romantik anzudichten, könnte man fast als „lebensverachtend“ bezeichnen. Aber genauso war das Menschengeschlecht: Es verherrlichte, was es verloren glaubte, zerstörte, was es hatte, träumte von dem, was es nie haben würde. 

Ein zweiter Gong ertönte. Dann setzte ein Surren, Ticken und Tingeln wie von hunderten Uhrwerken ein, und das Mädchen hielt sich die Ohren zu ...
 

 

2019

Kommen Sie rein

storyapp.de des MÜNCHNER KURZGESCHICHTENWETTBEWERBS

Eine Geschichte vom Verloren-Sein

Textprobe

... Dabei ist die Wahrheit das einzige Ideal, das sich verwirklichen ließe. Kein Weltfrieden, kein Stopp für einen Klimawandel mit katastrophalen Folgen, nichts, wofür wir tagaus tagein kämpfen kann mit dem Realitätsgehalt der Wahrheit mithalten. 

Leider ist die Wahrheit out. Im Sinne der Wahrhaftigkeit ist sie schlicht ausgestorben. Wer will schon wahrhaftig sein, wenn er schneller, stärker, reicher oder doch zumindest erfolgreicher sein kann? Soviel hat man uns beigebracht. „Sei ausdauernder als der Rest.“ Sonst gehst du unter. „Iss gesünder, feiere fröhlicher, sei glücklicher, poste bunter!“ Sonst wirst du nicht gesehen. Und schon gar nicht geliebt. 

Die Wahrheit ist zu einem Privatvergnügen geworden. Es gibt sie nur noch im Verborgenen, dort, wo wir mit uns selbst alleine sind. Leider kann uns nichts davon abhalten, die Oberfläche zu bürsten, die wir als Hingucker bereithalten. G’schneizt, gekampelt und zurecht gemacht gefallen wir und wollen gefallen. Wir sind, was wir verkaufen. Das Produkt versteckt sich hinter dem Marketing, wie das Gesicht hinter seiner Maske. Damit lässt es sich gut leben. Auslage vor Ware! Verpackung vor Inhalt! Kleidung machen Leute! Pitchbar machen, was unpackbar ist, mit anderen Worten unbequem. Wir haben’s eben gerne bequem, schön, spannend und möglichst in drei Worten. Für alles andere ist keine Zeit. Je kürzer das Buch, desto fesselnder das Lesen. Je lauter das Lied, desto intensiver das Zuhören. Je schneller das Video, desto unterhaltsamer der Inhalt. Je einfacher die Botschaft, umso effizienter die Wirkung. Mach keinen verbalen Aufstand, ein Emo tut’s auch! Smile while you can! Manno, anno, fuck ... LOL, OMG und Amen.

Das ist mein Stichwort ..."
 

 

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.